CDU Kreisverband Lippe

Senioren Union Leopoldshöhe - Vortrag zum Thema "Sterbehilfe"

Theologe Ulrich Wilkens aus Lage referiert zum Thema „Sterbehilfe“
 
„Wir brauchen ein Recht auf Sterbebegleitung“
 
Leopoldshöhe. „Sterbehilfe – ja oder nein“ - das war bereits Thema bei Jauch, Plasberg & Co. und wird in dieser Woche auch im Bundestag debattiert. Im nächsten Jahr soll ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden. Wie stets am Puls der Zeit und mit aktuellen Informationen gut aufgestellt, nahm sich jetzt die Senioren-Union Leopoldshöhe unter der Leitung von Wolfgang Strohmeyer und Renate Köster dieses Themas an. Referent war Ulrich Wilkens: Pfarrer der ev.-ref. Kirchengemeinde Stapelage-Müssen aber nicht nur im praktischen Pfarrdienst, sondern auch in der Lehre tätig. Wilkens unterrichtet das Fach „Ethik“ bei Diakonis in Lage.
Veranstalter und Referent (v.li.) Wolfgang Strohmeyer und Renate Köster von der Senioren Union Leopoldshöhe mit dem Referenten Pfarrer Ulrich WilkensVeranstalter und Referent (v.li.) Wolfgang Strohmeyer und Renate Köster von der Senioren Union Leopoldshöhe mit dem Referenten Pfarrer Ulrich Wilkens
„Sterbehilfe ist ein Herzensthema von mir“, bekannte der 46jährige Theologe. Er hatte seinen Vortrag in drei Teilbereiche gegliedert. Wilkens referierte zunächst über rechtliche Dimensionen, die verschiedenen Formen der Sterbehilfe und würdigte im Abschluss das Thema unter christlich-religiösen Gesichtspunkten. Sein Abschluss-Plädoyer vorab: „Ich lehne aktive Sterbehilfe ab. Vielmehr sollten die medizinischen, seelsorgerischen und im Rahmen der Hospize gegebenen Möglichkeiten leidenden Menschen zu einem schmerzfreien und würdevollen Sterben zu verhelfen, ausgebaut werden“.
 
Zu Beginn seines Vortrags blickte Wilkens zum Nachbarland Belgien. Hier wurde jüngst, im Februar 2014, die aktive Sterbehilfe noch weiter ausgebaut, so dass es jetzt auch möglich ist, Minderjährigen diese zu gewähren. „Dort gibt es faktisch keine Altersbegrenzung mehr“, so Wilkens, den der Satz „Mein Sterben gehört mir“ an die Kampagne „Mein Bauch gehört mir“ zur Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbruch erinnerte.
 
Ein Blick in die Geschichte zeigte: Sterbehilfe ist kein neues Thema und führt unwillkürlich zu Hippokrates, dem Heiler, der sich bereits 400 v. Christus gegen eine Tötung auf Verlangen aussprach. Der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton brachte vor rund einhundert Jahren die Grenzfrage auf, die auch die Befürworter der aktiven Sterbehilfe beschäftigt: Fällt der Mensch sich selbst zur Last oder wird er anderen zur Last? Wilkens formuliert es so: „Wird es ein Mobbing zum Tod geben?“. Zu guter Letzt erinnerte der Theologie an die „Euthanasie“, übersetzt „schöner Tod“, die im NS-Regime rund 160.000 Menschen in medizinischen Versuchen und NS-Psychiatrien den Tod brachte.
 
Derzeit sind vier verschiedene Formen der Sterbehilfe definiert:
 
-  Die aktive Sterbehilfe, die in Deutschland nach § 216 StGB unter Strafe steht: „Hier hat eine andere Person die Tatherrschaft“.
 
-  Die indirekte Sterbehilfe, die in Deutschland erlaubt ist und als palliative Sedierung bekannt ist. „Eine hohe Medikamentendosis wird zur Bekämpfung von Angst und Schmerz verabreicht, wobei die lebensverkürzende Wirkung bewusst in Kauf genommen wird. Dies wird in Deutschland häufig angewandt und sollte weiter ausgebaut werden, denn es wird immer noch unnötig gelitten“, so Wilkens.
 
-  Die passive Sterbehilfe ist ebenfalls in Deutschland erlaubt. Wilkens: „Das ist der häufigste Fall und oft Folge einer Patientenverfügung. Es ist ein Behandlungsabbruch durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen. Liegt keine Patientenverfügung vor, reicht auch die Aussage eines Angehörigen, die dem mutmaßlichen Willen des Sterbenden entspricht“.
 
-  Der assistierte Suizid  ist in Deutschland unter bestimmten Umständen straffrei. Wilkens: „Das ist der klassische Fall des ‚Medikamenten-Cocktails‘ wegen dem Sterbewillige in die Schweiz fahren. In Deutschland ist er straffrei, wenn die Tatherrschaft beim Suizidanten liegt und der Helfer nicht der unterlassenen Hilfeleistung angeklagt werden kann, weil er zur Tatzeit nicht anwesend war, sondern lediglich Hilfestellung im Vorhinein leistete. Allerdings sind die entsprechenden Medikamente in Deutschland schwer zu bekommen – anders als in der Schweiz“.
 
Im Anschluss an die Definitionen sprach sich Wilkens gegen aktive Sterbehilfe aus und stellte die Fragen, die derzeit in der Für- und Wider-Diskussion bewegt werden: Führt eine Gesetzesänderung in diese Richtung zu einem Dammbruch wie in der NS-Zeit? Besteht ein Todeswunsch oder der Wunsch nach veränderten Lebensbedingungen verbunden mit dem Blocken von Schmerz und Angstzuständen? Verhindert möglicherweise eine Depression die Objektivität? Wie ergeht es dem Sterbehelfer? Wird durch die Legalisierung aktiver Sterbehilfe der Druck auf leidende Menschen aus Kostengründen oder Gründen der Rücksichtnahme auf Pflegende, Angehörige, die Solidargemeinschaft wachsen? „Gibt es irgendwann ein Mobbing zum Tod“, fragte Wilkens.

An diesem Punkt entspann sich auch unter den Zuhörern in Leopoldshöhe eine rege Diskussion, in dessen  Verlauf ein Gast ein vorbereitetes Papier mit seinen Argumenten gegen aktive Sterbehilfe verteilte.
 
Eine Lanze brach der Theologe zu guter Letzt für die Möglichkeiten der heutigen Schmerzmedizin – „die sind noch lange nicht ausgereizt“, so Wilkens. Wichtig ist ihm vor allem der Ausbau der Hospize und der ambulanten Hospizbewegung. Wilkens: „Dass bei den Hospizen Menschen auf der Warteliste stehen, die faktisch keine Zeit zum Warten haben, ist ein Unding. Wir haben ein Recht auf Mietkostenzuschuss. Wir brauchen ein Recht auf Sterbebegleitung“.